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Beziehungsraum Mutterleib- Einblicke in de Psychologie der vorgeburtlichen Lebenszeit

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Vorbemerkung: Dieser Text ist eine Zusammenfassung eines Artikels, den Sie käuflich erwerben können. Bitte nehmen Sie hierfür Kontakt mit uns auf. 

Als Psychotherapeuten sind wir täglich mit KlientInnen konfrontiert, die unsere Hilfe suchen. Die Frage, welche Hintergründe ihre Probleme oder Symptome haben, ist natürlich für die Therapieplanung und die zu wählenden Intervention von größter Wichtigkeit. Dass psychische Störungen mit Fehlentwicklungen in der frühen Kindheit einhergehen können, ist mittlerweile keine Neuigkeit mehr. Das hat uns die Säuglingsforschung gelehrt. Die Frage aber, ob diese Fehlentwicklung schon in der vorgeburtlichen Lebenszeit beginnen könnte, ist noch immer relativ neu. 

Dieser Text beschäftigt sich mit drei Hauptfragen: Im ersten Teil wird ein Kurzüberblick über auf wissenschaftlicher Forschung beruhenden Ergebnissen der pränatalen Psychologie gegeben, die Antworten auf die Frage bietet, ob eine psychische (Fehl-) Entwicklung im Mutterleib überhaupt möglich ist. Im zweiten Teil werden mögliche Mechanismen beschrieben. Im dritten Teil verlassen wird die Beziehung zwischen pränatalen Erfahrungen und psychischen Störungen aus klinischer Sicht betrachtet.

Teil I: Psychische (Fehl-) Entwicklung im Mutterleib?

Struktur und Funktion sind nicht trennbar

Der menschliche Embryo und Fötus ist ein sehr lebendiges Wesen, das von Anfang an mit seiner Umgebung im Austausch steht. Struktur und Funktion sind nicht trennbar sind. Ein Embryo ist kein Apparat, den man erst zusammen bauen muss bevor er funktioniert. Während die Strukturen aufgebaut werden, beginnt auch die Funktion: d.h. das Herz beginnt zu schlagen, während es sich entwickelt. Das gilt auch für die psychische Entwicklung. Der pränatale Organismus ist nicht ‚nur’ Körper, dessen Beseelung irgendeinmal dazukommt. Er ist vielmehr von der Konzeption psycho-physischer, weil menschlicher Natur.  

In Beziehung von Anfang an

Auch die Gebärmutter ist ja keine Maschine, die isoliert vom anderen Körpergeschehen funktioniert. Sie ist innerviert von dem Nervensystem der Frau, durchblutet von ihrem Kreislauf, ‚beatmet’ durch ihre Lungen, also angeschlossen an den Gesamtorganismus ‚Mutter’. Und natürlich spiegelt sich in diesem körperlichen Geschehen auch die psychische Befindlichkeit der Schwangeren wider: wie sie sich als Person, aber auch mit ihrer Schwangerschaft fühlt, welche Vorstellungen sie von dem Kind und dem Leben mit ihm hat, ob sie die körperlichen und seelischen Veränderungen, die eine Schwangerschaft mit sich bringt, ertragen und in ihre Psyche integrieren kann etc. 

Pränatale Kommunikation

Die psychische Befindlichkeit der Mutter wird dem Kind ‚kommuniziert‘, genauso wie das Kind seine Befindlichkeit der Mutter ‚mitteilt’. Es gibt dafür verschiedene Kommunikationskanäle: Ein wichtiges Kommunikationsmittel ist die Hormonausschüttung der Mutter. Auch das Kind schüttet übrigens Hormone aus, um den Organismus der Mutter von seiner Anwesenheit in Kenntnis zu setzen. 

Eine viel differenziertere Form der Kommunikation findet über die Nabelschnur statt. Über die physiologischen Äquivalente von Emotionen wie hormonelle Veränderungen im Blut, der Qualität der Sauerstoffzufuhr, Veränderungen der Herzfrequenz etc. ist das Kind quasi an die Gefühlswelt der Mutter angeschlossen.

Weitere Kommunikationskanäle sind die sich entwickelnden Sinnesorgane, durch die den Fötus ein Strom von Eindrücken aus dem mütterlichen Organismus erreicht. Er wiederum drückt seine Befindlichkeit über Bewegung aus, die die Mutter – sicher ab dem 4. Schwangerschaftsmonat fühlen kann. 

Wir nennen dieses komplexe, wechselseitige Geschehen zwischen Mutter und Kind „Beziehung“. Ich benutze diesen psychologischen Begriff, der sonst ja nur der nachgeburtlichen Beziehung zwischen Mutter und Kind vorbehalten wird, bewusst auch für das pränatale Entwicklungsgeschehen. Die prä- und postnatale Beziehung zwischen Mutter und Kind stellt meiner Meinung nach nämlich ein Kontinuum dar.

Lernen in der Gebärmutter

Da der Mensch von der Konzeption an in Entwicklung begriffen ist, ‚lernt‘ er von Anfang an von seinen Erfahrungen. Diese Lernerfahrungen gehen dementsprechend in die Struktur und Funktion des Gehirns ein. Diese Gedächtnisinhalte sind allerdings unbewusst, man kann sie nicht erinnern, sie sind dem Bewusstsein nicht unmittelbar zugänglich. Sie sind aber trotzdem da.

Das gilt auch für pränatale Lebensumstände, die belastend sind für die Entwicklung des Kindes im Mutterleib.

Teil II:  Risikofaktor Mutterleib

Stress in der Schwangerschaft

Stress in der Schwangerschaft kann äußere Gründe haben. Belastungen können aber auch von innen kommen: z.B. in Form von Schwangerschaftsängsten oder beim Umgang mit den hormonellen und psychischen Veränderungen durch die Schwangerschaft. Die Psyche der Frau aktiviert, sicher bei einer Erstschwangerschaft, alle Erfahrungen, die sie zu diesem Thema gemacht hat. Dies kann eine Ressource sein und der Frau helfen, in die Mutterrolle hineinzuwachsen. Es kann für die Schwangere aber auch eine Quelle besonderer Belastung darstellen, dann nämlich, wenn die eigene Mutter als prä- oder postnatales Bindungsobjekt nicht gut genug verfügbar war. 

Außerdem muss man davon ausgehen, dass eine Schwangerschaft für das psychische Funktionieren der Schwangeren im Allgemeinen sowieso eine Herausforderung ist. Sie stellt die Stabilität ihrer psychischen Struktur auf die Probe.

Aus mütterlichem Stress wird fetaler Stress

Stress führt zu psychophysischen Anpassungsreaktionen, zum Beispiel zur Ausschüttung von Stresshormonen. Wir wissen heute, dass mütterliche Stresshormone den kindlichen Organismus durch die Nabelschnurverbindung in kaum abgeschwächter Form erreichen. Der kindliche Organismus wird dadurch ähnlich stimuliert wie die Mutter.  Er reagiert z.B. hyperaktiv oder mit Erstarrungserscheinungen. 

Stressforschung: Gestresste Mütter – belastete Kinder

Es gibt heute eine überwältigende Menge von Daten, die konsistent darauf hindeuten, dass Stressoren während der Schwangerschaft Folgen für die weitere Entwicklung des Kindes haben. Studien beim Menschen zeigen, dass mütterliche Angst und Stress korrelieren mit Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, einer erhöhten Frühgeburtenrate und einem niedrigerem Geburtsgewicht. Ein geringes Geburtsgewicht stellt übrigens einen Risikofaktor bei der Geburt dar und korreliert mit dem Auftreten von Krankheiten bei Babys, Kleinkindern und sogar bei Erwachsenen.

Die pränatale „Programmierung“ der Stressachse 

Eine Erklärung für diese Effekte wird in der Literatur immer wieder genannt: Stress im pränatalen Kind führt nämlich zu einer Veränderung der so genannten Stressachse, eine konzertierte Aktion zwischen neurologischen, hormonellen und immunologischen Strukturen. Die Stressachse wird geprägt durch Erfahrungen, die die Person im Laufe des Lebens macht. Die Hypothese einer ersten pränatalen Programmierung der Stressachse wird besonders durch Tierversuche belegt: hier wird eindeutig nachgewiesen, dass die Stressachse von pränatal gestressten Nachkommen überaktiv ist und eine gestörte Feedbackregulation aufweist.

Pränatale Erfahrung und Psychopathologie- die wissenschaftliche Perspektive

Kann pränataler Stress der Hintergrund sein für spätere psychische Störungen? Wir können hier sicher nicht von einer einfachen Ursache-Wirkungs-Beziehung ausgehen. Pränataler Stress kann aber als ein Risikofaktor für spätere psychische Störungen angesehen werden. Hierbei kann die Stressachse ein möglicher Erklärungsansatz sein. Ein besonderer Risikofaktor dürfte auch die Psychopathologie der Schwangeren sein.

Pränatale Traumatisierung

Bei pränatalen Extrembelastungen, also bei existentiell bedrohlichen Stresserfahrungen, kann es schon im Mutterleib zu ‚Traumatisierungen‘ kommen. Pränatal traumatisierende Ereignisse sind Situationen, die für das pränatale Kind lebensgefährlich sind. Das können toxische, virale Einflüsse sein, genauso wie Störungen der Nahrungs- und Sauerstoffzufuhr, überlebte Abtreibungsversuche oder andere  Gewalttätigkeiten gegenüber dem Kind, auch chronische, hasserfüllte Ablehnung der Schwangerschaft durch die Mutter.

Die erste Bindung

Wegen der Kontinuität von prä – und postnatalem Beziehungsgeschehen, bezeichnen wir übrigens die pränatale Beziehung zwischen Mutter und Kind als ‚erste Bindung’. Fehlentwicklungen sind dementsprechend als Bindungsstörungen einzuordnen.

Teil III:  Pränatale Erfahrung und Psychopathologie - die klinische Perspektive

Im Folgenden verlasse ich den Boden der wissenschaftlichen Forschung. Die folgenden Bemerkungen stützen sich auf klinischen Erfahrungen der letzten 20 Jahre. 

Wir gehen dabei davon aus, dass schon das pränatale Kind emotionale ‚Grundbedürfnisse‘ hat. Bekommt das Kind in der gebärmütterlichen Beziehung nicht genug oder unangemessene Resonanz auf diese Grundbedürfnisse, dann kann dies die Grundlage sein für psychische Störungen, die später in irgendeiner Weise manifest werden.

Ausblick

Die Psyche des pränatalen Kindes ist verletzlich und beeinflussbar. Macht sie negative Erfahrungen, wird sich das in ihrem emotionalen Fundament widerspiegeln. Es kommt dann auf die Qualität der nachgeburtlichen Beziehungsgestaltung an, ob ein brüchiges Fundament – zumindest zum Teil – repariert werden kann oder ob es durch Verwahrlosung noch mehr in Mitleidenschaft gezogen wird.

Positive Erfahrungen von Resonanz allerdings stellen eine wichtige frühe Ressource für das Kind dar. Es kommt dann schon mit vielen wichtigen Lernerfahrungen auf die Welt: dass es willkommen ist bei anderen Menschen, dass es gut und lustvoll ist, einen Körper zu haben und seine Bedürfnisse wahrzunehmen, dass die Welt ein Platz ist, der Sicherheit bietet und in dem man sich entspannen kann und dass die innere Verbindung mit dem Lebensganzen erhalten bleibt.

Für die psychotherapeutische Behandlung hat dies alles weit reichende Konsequenzen. Wenn wir als Psychotherapeuten die pränatale Perspektive in unsere Theorie und Praxis einbeziehen, dann können wir die Symptome und Gefühle unserer Klienten unter Umständen besser verstehen. Und wir können und sollten unsere Behandlungsstrategien entsprechend verändern.